Politik für alle! Zum Mitreden eingeladen!

Das ist bislang einzigartig im Landkreis Mühldorf: Ab sofort hält die Unabhängige Wählergemeinschaft von Neumarkt-St. Veit Sitzungen ihrer Stadtratsfraktion öffentlich ab. „Maximale Transparenz“, lautet das Credo von Fraktions-Chef Christian Perau, der diese Methode beibehalten will.

Von Josef Enzinger (Neumarkter Anzeiger)


Neumarkt-St. Veit – Bis auf zwei Stadträte sind alle da an diesem Montag im Nebenzimmer vom Gasthof „Zur Post“. Die beiden fehlenden UWG-Räte „ersetzen“ an diesem Abend Hermann Wimmer und Jan Dalhoff, die der Einladung der UWG gefolgt sind und bei dieser erstmals öffentlichen Fraktionssitzung der UWG mitdiskutieren wollen. Das Interesse kommt nicht von ungefähr, beide standen schon auf der UWG-Liste für die Kommunalwahl 2012. Doch das soll kein Kriterium sein, um an der Fraktionssitzung teilnehmen zu dürfen, wie Fraktions-Chef Christian Perau betont: „Wir wollen maximale Transparenz. Und wir wollen auf der anderen Seite erfahren, wie der Bürger tickt, weil uns das in der Entscheidungsfindung hilft“, ist sich Perau sicher. Diskutieren also ausdrücklich erwünscht. Die Idee dazu hatte Perau von einer Fortbildung mitgebracht. Zwei Referentinnen hatten diese Öffentlichkeit vorgeschlagen, um mit dem Bürger ins Gespräch zu kommen.

Dieses erste Treffen befasst sich mit der Tagesordnung der öffentlichen Stadtratssitzung am heutigen Donnerstag. Etwa die Beteiligungen der Stadt an Organisationen oder Einrichtungen. Nicht viel Interessantes. Ein Bericht im Stadtrat, lediglich zur Kenntnisnahme. Perau hält sich deswegen auch nicht lange damit auf, um dann gleich das Thema Bündelausschreibung auf den Plan zu rufen. Es geht um die Strombeschaffung für die Jahre 2020 bis 2022. Durch die Bündelausschreibung könnten bessere Preise erzielt werden. „Klingt sinnvoll“, kommentiert Dalhoff, das Konzept, das in den Jahren 2014 bis 2016 aufgegangen ist, wie Bürgermeister Erwin Baumgartner deutlich macht. Baumgartner ist zwar UWG-Mitglied, spricht bei der Fraktionssitzung aber lediglich als Gast. „Wenn ich eingeladen werde, gerne auch bei den anderen Fraktionen, wenn es um die Weitergabe von Informationen gehtt“, klärt Baumgartner die beiden Zuhörer auf. Es folgt Fachsimpelei über Ökostrom im Allgemeinen, schließlich die einhellige Meinung, dass die Lieferung von Ökostrom ohne Neuanlagenquote erfolgen soll, weil die billiger ist.

Auch hier kann also ein Haken gesetzt werden. Nächstes Thema: Abriss des Geschäftshauses an der Schmidgasse. Perau liefert erste Zahlen bei der Gegenüberstellung der Wirtschaftlichkeit von Abriss oder Sanierung. Knapp 750 000 Euro würde eine Sanierung kosten, um sechs Wohnungen zu ermöglichen. „In 27 Jahren hätte sich das amortisiert“, so Perau. „Und dann müsste es erneut saniert werden“, schickt Skeptiker Peter Hobmaier hinterher. Ein Abriss hingegen würde knapp 174 000 Euro kosten und im Gegenwert eine schöne Grünfläche bringen. Nach Abzug der Zuschüsse würden etwa 70 000 Euro bei der Stadt verbleiben. Zahlen, die auch die beiden Zuhörer beeindrucken: „Das Ding gehört weg!“, heißt es unisono. „Als es hieß, die Stadt hat die Gebäude gekauft, hat sich jeder gefragt: Wie können die das machen? Gegen den Abriss sagt keiner was“, spiegelt Wimmer die Meinung der Bürger wider. Da wäre also der von Perau gewünschte Hinweis, wie der Bürger tickt.

Weiter geht es mit dem Flächennutzungsplan bei Grafing, wo eine Fotovoltaikanlage entstehen soll. Es geht um die Stellungnahmen der Behörden. Ein trockenes Prozedere, doch die Zuhörer interessieren sich über die weiteren Schritte. Wofür braucht man einen Flächennutzungsplan? Baumgartner gibt Nachhilfe in Sachen Baurecht. „Wenn Eon in seiner Stellungnahme auf eine Leitung im Boden verweist, dann muss das berücksichtigt werden.“

Eher trocken auch das Thema „Fortschreibung des Landesentwicklungsprogrammes“, denn davon ist die Stadt Neumarkt-St. Veit nicht betroffen. Und doch entwickelt sich eine Diskussion über Sinn und Unsinn von Ober- und Regionalzentren, über die Änderung des Anbindegebotes. Denn Gewerbe- und Industriegebiete könnten damit auch an Autobahnanschlussstellen ausgewiesen werden, ohne dass es einer Anbindung bedarf. „Man zieht die Kaufkraft aus den Kommunen raus“, kritisiert Wimmer. Dass der Verkehr in den Kommunen weniger werde, hielt hingegen Dalhoff für ein Gerücht. „Hermes ist das beste Beispiel“, verwies Dalhoff auf die Firma in Frixing.

Offiziell war die Tagesordnung abgearbeitet, Themen zur Diskussion gab es trotzdem: zur Straßenausbaubeitragssatzung referierte Bürgermeister Baumgartner noch. Tenor: Man will abwarten, was die zukünftige Gesetzeslage mit sich bringt und dann reagieren. Zu weit wollte sich Baumgartner nicht aus dem Fenster lehnen. Es bleibt also spannend. Auch für die beiden Zuhörer, die angekündigt haben, wieder zu kommen. Perau zog ebenso ein positives Fazit, „auch wenn es mehr Besucher hätten sein können“. An der Öffentlichkeit will er aber nichts ändern. Auch beim nächsten Mal soll offen diskutiert werden.

Quelle: Neumarkter Anzeiger vom 07.12.2017