Rede zum Volkstrauertag 15. November 2015

Rede zum Volkstrauertag 15. November 2015

Bürgermeister Erwin Baumgartner

 

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

fast zehn Millionen Menschen sind im Ersten Weltkrieg ums Leben gekommen, weit mehr als fünfzig Millionen im Zuge des Zweiten Weltkrieges und viele weitere Millionen Menschen in den Hunderten von Konflikten seit 1945.

Und wenn man heute in die Presse schaut, gibt es sehr viele Länder auf der ganzen Welt, in denen Krieg, Hass und Vertreibung auf der Tagesordnung stehen.

Wir hören und zählen die Opfer, aber die Summen übersteigen unser Vorstellungsvermögen.

Und dabei künden die Zahlen von Menschen, die alle unverwechselbar waren, die eine eigene Stimme hatten, ein eigenes Lachen und ein einzigartiges Angesicht.

Sie waren Söhne und Töchter, Brüder und Schwestern, Väter und Mütter.

Die Hinterbliebenen trauern um ihre Toten und hoffen, dass sie Ruhe finden, dass sie noch im Tode Zuwendung und Sorge erfahren.

Verehrte Trauergemeinde,

jedes Jahr im November gedenken wir am Volkstrauertag der Opfer der Kriege und der Gewaltherrschaft.

Wir gedenken

der Soldaten, die in den Weltkriegen starben,

der Menschen, die durch Kriegshandlungen oder in Gefangenschaft, als Vertriebene und Flüchtlinge ihr Leben verloren.

Aller denen, die Leid und Gewalt erleiden mussten durch den Krieg und Hass.

Der Volkstrauertag, während des Nationalsozialismus als „Heldengedenktag“ missbraucht, wurde im Jahr 1952 wieder eingeführt.

Volkstrauertag – was heißt das eigentlich?

Zusammengesetzt aus den Worten „Volk“, „Trauer“ und „Tag“, bedeutet es vor allem eines: Es ist der Tag, an dem das Volk gemeinsam trauert.

Doch 70 Jahre nach Kriegsende stellt sich mir für die Zukunft die Frage:

Wie soll man um Menschen trauern, die man gar nicht kannte, zu denen man keinen persönlichen Bezug hat?

Ergreift uns und die folgenden Generationen das Leid und die Grausamkeit des Krieges noch ausreichend, um überzeugt Arbeit für den Frieden leisten zu können?

Meine Damen und Herren, das Wichtigste, das wir uns erhalten müssen,

ist die Erinnerung!!!

Wir müssen uns veranschaulichen, was Krieg aus den Menschen macht:

Wie sie gegeneinander kämpfen und im Gegenüber nur ein Objekt sehen.

Wie sie töten, um selbst zu überleben, auch wenn sie im Herzen gute Menschen sind.

Beide Seiten sind in der gleichen ausweglosen Situation – sterben oder töten!

Wir müssen erkennen, dass es im Krieg niemals Gewinner geben kann, sondern dass jeder Beteiligte zum Opfer des Krieges wird.

Auch daran erinnert der Volkstrauertag.

Doch sollten wir nicht nur zurückblicken, um aus der Geschichte zu lernen, sondern der Volkstrauertag fordert auch dazu auf, unsere Lebenswirklichkeit heute kritisch zu prüfen.

Denken wir nur an die vielen

Vorurteile zwischen Nationen, Völkern und Religionen.

Es ist unsere Aufgabe diese Vorurteile abzubauen.

Gerade heute in der Zeit der großen Flüchtlingsströme zeigt sich, ob man aus der Vergangenheit etwas gelernt hat, ob man aus der Vergangenheit etwas lernen konnte.

Jeder von uns hat Mitleid und Mitgefühl für Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen und in eine ungewisse Zukunft gehen – natürlich in der Hoffnung auf ein besseres Leben, eine bessere Zukunft.

Aber wie deuten wir das, wie sieht der Einzelne von uns diese Veränderungen in der Welt und in unserem Leben.

Eine klare aber nicht hilfreiche Antwort ist:

Jeder sieht es anders, der eine hat Verständnis, der andere versteht es nicht, noch ein anderer hat Angst um sich und seine Zukunft.

Niemand weis, was daraus wird, was sich daraus entwickeln wird.

Natürlich gibt es viele kluge Geister, die uns beruhigen, die uns das alles wohlwollend erklären.

Aber es gibt auch ganz andere Stimmen, die versuchen Angst zu machen, die versuchen aufzuwiegeln und versuchen Unfrieden zu stiften.

Es ist nicht leicht hier das Richtige für sich herauszufinden, den Spagat zwischen Angst und Mitleid zu finden, geprägt einerseits von Gleichgültigkeit und andrerseits von Verantwortungsbewusstsein.

Meine Damen und Herren,

was in unserem Land passiert, kann niemand genau voraussagen. Wir können nur hoffen, hoffen auf Frieden, auf Toleranz und auf die richtigen Entscheidungen der Politik.

Liebe Neumarkter,

was gestern in Paris passiert ist, kann man eigentlich nicht begreifen.

Der Krieg, und so etwas kann man nur als Krieg bezeichnen, kommt zu uns zurück.

Bisher war der Krieg weit weg, nur im Fernsehen zu sehen.

Aber über 100 Tote, über 200 Verletzte, in einer europäischen Hauptstadt, keine Tagesreise, eigentlich nur ein paar Autostunden, entfernt – das ist gar nicht mehr weit weg!

Mit brutalster Gewalt wird Rache genommen. Rache an denen, die versuchen Frieden und Freiheit in ein zerrüttetes Land zurück zu bringen.

So etwas erschüttert, so etwas bringt die Angst ganz nahe und trifft unser so friedliches Europa tief ins Herz.

Meinen größten Respekt hat das französische Volk, das trotz ihrer eigenen Angst und ihrer vielen Toten stolz die Stimme erhebt und die französische Nationalhymne die  Marseillaise singt.

Zum Gedenken an unsere Gefallenen und der vielen Opfer

und in der Hoffnung auf Frieden in unserem Land, in Europa und auf der ganzen Welt, darf ich im Namen der Stadt Neumarkt-Sankt einen Kranz niederlegen.